Der Tropfen – diese kleine Flüssigkeitsmenge kann bei einem Arzneimittel eine große Rolle spielen und sehr viel bewirken. Aber wusstet ihr, dass Tropfen nicht gleich Tropfen sind? Gerade bei Arzneien wie Schmerzmittel oder Neuroleptika, bei denen es auf die genaue Dosierung ankommt, spielt die Größe des Tropfens eine wichtigere Rolle, als ihr vielleicht zunächst denken mögt. Zeit also, sich den Tropfen einmal etwas genauer anzusehen.
Arzneitropfen – Eine Darreichungsform unter der Lupe
In eurer Ausbildung zur PTA habt ihr bestimmt auch etwas über die unterschiedlichen Tropfsysteme gelernt – ein Wissen, das wir heute noch einmal auffrischen möchten.
Die Darreichungsform eines Arzneimittels spielt eine wesentliche Rolle für Patienten. Vor allem für ältere Menschen ist es von großer Bedeutung, ob sie Tabletten, Kapseln, Zäpfchen, Salben oder eben auch Tropfen einnehmen müssen. Denn oft sind die kognitiven oder auch feinmotorischen Fähigkeiten eingeschränkt, was die korrekte Handhabung von Arzneitropfen erschweren kann. Da viele Arzneimittelhersteller in den Beipackzetteln keine Informationen zum Tropfsystem oder zur genauen Handhabung geben, ist euer Beratungs-Know-how in diesem Fall sehr hilfreich.
„Zentraltropfer“ oder „Randtropfer“ – alles eine Frage der Haltung
Die Frage, um welches Tropfsystem es sich handelt, ist ausgesprochen wichtig. Die Handhabung der unterschiedlichen Tropfsysteme entscheidet nämlich darüber, ob das Arzneimittel richtig dosiert wird. Der Zentraltropfer hat in der Mitte ein so genanntes Flüssigkeitsaustrittsröhrchen, über das die Flüssigkeit abgegeben wird. Dazu muss die Flasche senkrecht gehalten werden. Der Randtropfer hingegen sollte beim Abtropfen immer schräg gehalten werden, weil die Flüssigkeit aus einer Öffnung über den Rand abtropft.
Wie erkennt ihr einen typischen „Zentraltropfer“?
Wenn die Packungsbeilage keine Auskunft über die Art oder die korrekte Anwendung des Tropfers gibt, solltet ihr als PTA erkennen können, um welches Tropfsystem es sich handelt, damit ihr eure Patienten richtig beraten könnt. Ein typischer Zentraltropfer hat in der Mitte als Öffnung ein gut sichtbares Belüftungsröhrchen, Randtropfer hingegen haben kein Röhrchen, nur eine Öffnung, aus der die Lösung herausläuft und am Rand abfällt.
Die meisten Patienten halten die Tropfflasche schräg. Warum?
Die Praxis zeigt, dass die meisten Patienten das Tropffläschchen schräg halten, auch wenn es sich um einen Zentraltropfer handelt. Der nachvollziehbare Grund ist, dass die Tropfen beim Senkrechthalten mit zu großer Geschwindigkeit heraustropfen. Es können drei bis vier Tropfen pro Sekunde aus der Flasche heraustreten – für manche Patienten ist das einfach zu schnell, um sie korrekt zählen zu können. Gerade ältere Menschen oder Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson kommen damit nicht zurecht und halten die Flasche ganz automatisch schräg, damit die Tropfen langsamer herauskommen.
Physikalisches Phänomen: Schrägstellung vermindert die Tropfenmasse
Wenn die Flasche allerdings nicht bestimmungsgemäß senkrecht gehalten wird, werden die Tropfen durch ein physikalisches Phänomen kleiner. Bei einer Schrägstellung verringert sich die Abtropffläche, wodurch weniger Flüssigkeit in einem Tropfen ist. Das hat zur Folge, dass ein Tropfen auch weniger Wirkstoff enthält, als ursprünglich berechnet – es findet also eine Unterdosierung statt.
Falsche Handhabung der Tropfsysteme – therapierelevante Fehldosierungen
Die Frage nach der therapeutischen Relevanz solcher Fehldosierungen beantworten Experten folgendermaßen: „Man kann sich als grobe Regel merken: Eine Neigung von 45 Grad verringert die Masse des abfallenden Tropfens um 20 bis 25 Prozent“.1 Bei Arzneimitteln mit einer großen therapeutischen Toleranz – beispielhaft könnten hier Baldriantropfen genannt werden – ist die Unterdosierung weniger relevant. Bei neuropsychiatrischen Patienten hingegen kann der Unterschied in der Dosierung durchaus als therapierelevant eingestuft werden.
Welches Tropfsystem ist genauer – der Zentraltropfer oder der Randtropfer?
Sicherlich würdet auch ihr angeben, dass mit dem Zentraltropfer exakter dosiert werden kann, einfach weil hierbei kein Interpretationsspielraum besteht. Beim Randtropfer hingegen kann allein schon wegen des individuellen Neigungswinkels die Dosierung sehr unterschiedlich sein. Aus diesem Grund wurden früher stark wirksame Arzneimittel – wie z.B. Tramadol, Haloperidol – sehr häufig in einem senkrechten Zentraltropfer angeboten. Darauf können sich Apotheker und PTA heute nicht mehr verlassen, sodass ein Blick auf das Tropfsystem eure Beratung um wichtige Informationen für den Patienten ergänzen kann.
Wie können Patienten Fehler bei der Handhabung vermeiden?
Die exakte Dosierung, gerade von hochwirksamen Arzneimitteln, ist unbedingt erforderlich und die Aufklärung eurer Patienten über die Handhabung der unterschiedlichen Tropfsysteme deshalb sehr wichtig. Wie schon erwähnt, ist das Tropfen mit einem Zentraltropfer nicht einfach, weil die Tropfensequenz oft sehr hoch ist. Sollte der Patient also Schwierigkeiten beim Abzählen der richtigen Tropfenmenge haben, könntet ihr eine Dosierhilfe zur Abmessung der Flüssigkeit empfehlen. Auch Angehörige oder Pflegende solltet ihr darauf hinweisen, dass das exakte Tropfen sehr wichtig und in manchen Fällen sogar therapierelevant ist.
Quelle: 1. Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online, Schladming, 18.01.2018